von Fikri Anil Altintas, H.C. Beck Verlag
Mürüvet, die Mutter unseres Autors Anil ist todkrank. Ihr hat er diesen Roman gewidmet. Lebensgeschichte, Abschied und viel Trauer über „Nicht-Nachzuholendes“ ist hier großes Thema. Zwei Zeitebenen wechseln sich ab. Einerseits eine Zeitreise in die politisch unruhige Türkei Anfang der 70ger Jahre. In die Jugend Mürüvets, die von einer Zukunft als Flugbegleiterin träumt. Und dann dem unfreiwilligen Wechsel nach Deutschland, wohin das junge Mädchen ihrem Vater, der dort als Gastarbeiter arbeitet, folgen muss. Für die junge Türkin eine Zeit ohne wenn und aber. Intensiv und berührend erzählt Anil über diese unglückliche Zeit, insbesondere ihr „Zerissenwerden“ durch den Heimatwechsel. Jahrzehnte später wechselt der Roman ins „heute“. Der Abschied von der Mutter naht, die tödliche Krankheit fordert alles. Jeder Tag mit ihr zählt. Und es kommen die großen Gefühle, das Reflektieren, das Zweifeln des erwachsenen Sohnes. Er begleitet die Mutter durch die letzten Tage, mit kleinen, ihr so wichtigen, alltäglichen Gewohnheiten, in diesem bescheidenen Leben. Es fährt z.B. mit ihr zum Globus, der Angebotsprospekt in der Tasche, um Schnäppchen zu machen. Und wenn es endlich das Waffeleisen von Tefal für ganze 29,99.- wird. Eine der wenigen Moment, wo auch geschmunzelt werden darf. Denn ansonsten ist viel Schmerz und Trauer präsent. Wer war die Mutter, welche Wünsche hatte sie, hat er sie als Sohn nicht gesehen? Kann man Liebe nachholen? Schwer auch, die späten Geständnisse der Mutter anzuhören. Zitat: „Ich habe das Gefühl, dass ich all die Jahre für eine Rolle gelebt habe, die nicht für mich bestimmt war. Doch ich wollte der Fels in der Brandung sein – die starke Frau, die alles erträgt. Doch was bleibt, wenn dieser Fels erodiert? Wenn dieser Fels nie nach Deutschland versetzt werden wollte?“ Das trifft nicht nur den Sohn, sondern auch seinen Vater Baba. Zitat: „Das klingt, als ob meine Vorstellung von gutem Leben deines ruiniert hätte“ … seine Stimme zittert vor ehrlicher Anklage. Ein Roman über verspätete Nähe und Offenheit. Intensiv, ehrlich und emotional.